NASENARBEIT – WAS IST DAS?


Rettungshunde, Diensthunde (z.B. Zoll, Polizei,) werden zur Personen-, Spurensuche, Drogen oder Sprengstoffsuche, sowie zur Gepäckkontrolle eingesetzt. Jagdhelfer und Hunde, die als „Frühwarnsystem“ zur Detektion von Allergien (Schimmelpilze, Erdnüsse) Hautkrebs oder Epilepsie eingesetzt werden, sind professionell mit Nasenarbeit beschäftigt.

 

Dennoch kann und soll man Nasenarbeit auch als Freizeitbeschäftigung für seine vierbei-nigen Freunde nützen. Hierbei sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt, was die Art der Nasenarbeit betrifft (Fährten-arbeit; Geruchsidentifikation – Anzeigen des Geruches des Hundeführers oder eines anderen definierten Geruches; Suche nach „verlorenen“ Gegen-ständen, wie die Freiverlorensuche oder das Rückwärtsfährten).

DIE SINNESORGANE DES HUNDES                                                                                            

Alle Sinnesorgane bestehen zunächst aus Rezeptoren, die auf bestimmten Zellen exprimiert werden, also den Riechzellen in der Nasenschleimhaut, den Stäbchen und Zäpfchen in der Netzhaut, den Haarzellen in der Schnecke des Ohres, den Geschmackszellen im Mund und den Tastzellen. Die Verbindung ins Gehirn entsteht über Nervenbahnen, wie z.B. den Riechnerv, den Sehnerv. Die Verarbeitung der Sinneswahrnehmung im Gehirn erfolgt im jeweiligen Sinneszentrum, also dem Riechzentrum, Sehzentrum, Hörzentrum, ....

Das Riechzentrum des Hundes, das anatomisch deutlich größer ist, als das des Menschen, liegt rostal (in Richtung Schnauze) im Schädel. Da es entwicklungsgeschichtlich sehr alt ist, verfügt es über eine direkte Verbindung zum limbischen System („Schaltzentrale“ für Gerüche). Daher sind Gerüche beim Hund ganz besonders intensiv mit Emotionen verknüpft (wie z.T. auch bei uns Menschen – denken wir mal an Weihnachtskekse, Zahnarzt, ...).

Der Geruchssinn des Hundes                                                                                                 

Bereits ein mittelgroßer Hund besitzt ein ca. 15x so großes Riechfeld wie der Mensch und verfügt über etwa 220 Millionen Riechzellen, während der Mensch mit nur 5 Millionen praktisch „geruchsblind“ ist. Für den Hund ist daher die Wahrnehmung von Geruchsstoffen in geringsten Konzentrationen möglich (dt. Schäferhund: 1:10 Millionen, d.h. 1 Tropfen Schwefelsäure in 500l!).

Einsatz der Sinne beim Hund                                                                                                      

Der sequentielle Einsatz der Sinne beim Hund lässt sich gut am Beispiel der Nahrungs-beschaffung veranschaulichen: Die Beschaffung von Nahrung muss in der Natur möglichst effektiv sein, es soll also mit möglichst minimalem Energieaufwand die maximale Nähr-stoffausbeute erzielt werden. Die Suche nach Nahrungsquellen erfolgt daher meist nach der Priorität der Sinne, also zunächst mit den Augen, danach mit den Ohren und erst als letzte Möglichkeit mit der Nase (Jagdverhalten) – und das, obwohl der Hund eigentlich ein Nasen-tier ist. Der Grund dafür ist, dass der Einsatz der Nase äußerst energieaufwändig ist (ein Hund der 1km lang mit der Nase sucht, steigert dabei seine Körpertemperatur um 1°C!).

 

Diese Priorität der Sinne muss man im Training immer bedenken und das Training so auslegen, dass der Hund die Nase tatsächlich benützen muss! D.h. im Klartext, wenn der Hund lernen soll, die gestellte Aufgabe mit der Nase zu lösen, darf er sie mit Augen und Ohren nicht lösen können. Man sollte daher nach Möglichkeit optische Markierungen vermeiden und versteckte Personen dürfen weder zu sehen noch zu hören sein. Beim Identifizieren muss man auch darauf achten, dass man den „richtigen“ Gegenstand selbst nicht ansieht, denn auch das kann der Hund sehr leicht durchschauen!

Motivation bei der Nasenarbeit                                                                                           

Verhalten entsteht infolge äußerer Reize und innerer Bereitschaft! Das Endziel ist die Homöostase des Körpers. Der Hund tut etwas auf Grund von innerer Bereitschaft oder auch Motivation. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen der Primärmotivation, die sich aus der Befriedigung von Grundbedürfnissen ergibt, und der Sekundärmotivation, die sich aus den Lebensumständen entwickelt. In vielen Bereichen der Nasenarbeit ist der Hund primär motiviert. Bei der Sekundärmotivation muss man generell darauf achten, dass die Belohnung dem Aufwand entspricht. Beim Fährten, das sehr energieaufwändig ist, muss daher die Belohnung GUT und REICHLICH sein. Natürlich kann niemand anderer als der Hund selbst uns vermitteln, was er für angemessen hält und wofür er die Aufgabe bewältigen möchte. Generell sollte die Belohnung aber etwas Spezielles sein.

Motivation und Lernen                                                                                                                

Für jede Aufgabe muss das richtige Motivationsniveau gefunden werden. Ist das Motivations-niveau zu nieder, verliert der Hund das Interesse oder – noch schlimmer – wird frustriert, weil die Aufgabe zu schwer ist. Ist das Motivationsniveau zu hoch, erschwert man dem Hund das Lernen. Der Hund konzentriert sich dann zu sehr auf das Motivationsobjekt, wodurch er zu gestresst ist, um lernen zu können.

DAS LERNVERHALTEN DES HUNDES                                                                                      

Lernen bewirkt eine dauerhafte Verhaltensänderung in einer bestimmten Situation aufgrund individueller Erfahrungen. Beim Lernen werden Informationen aus der Umwelt ins Gedächtnis überführt und können dort wieder abgerufen werden, um in einer bestimmten Situation mit verändertem Verhalten zu reagieren. Lernen dient der raschen Anpassung des Organismus an veränderte Umweltbedingungen. Als Hundeführer muss man jedenfalls beachten, dass Lernen IMMER stattfindet (und nicht nur dann, wenn ich mir gerade vornehme, mit dem Hund zu üben).

Formen des Lernens

Klassische Konditionierung: 

In der klassischen Konditionierung erhält ein zunächst neutraler Reiz eine Bedeutung. Der Hund beginnt z.B. die klappernde Futterschüssel oder die Kühlschranktür mit Fressen zu assoziieren, das Anziehen der „Hundejacke“ als Signal, dass er Gassi gehen darf, das Geräusch eines „Klickers“ als Bestätigung für sein Verhalten, ... In der klassischen Konditionierung entsteht also eine „wenn ..., dann...“ Verknüpfung.

 

Operante Konditionierung bedeutet „Lernen am Erfolg“, d.h. die Konsequenzen, die ein Verhalten hat, beeinflussen das zukünftige Auftreten dieses Verhaltens. Ein, den Meisten bekanntes Beispiel dafür wäre das Betteln bei Tisch – hier scheitert der Erfolg, dem Hund dieses Benehmen abzugewöhnen entweder an der Konsequenz oder am Ehepartner..... In allen höheren Tieren ist die operante Konditionierung die wichtigste Art des Lernens (auch der Mensch entscheidet sich eher dazu, durch Erfolg und Irrtum zu lernen, also z.B. einfach am Videorekorder auszuprobieren, wie er funktioniert, statt das Handbuch zu lesen).

 

Gemeinsam mit der klassischen Konditionierung ist die operante Konditionierung die im Hundetraining am häufigsten eingesetzte Methode. Auch das Shaping, also die schrittweise Annäherung an ein fertige Übung und das Chaining, also der Aufbau von Verhaltensketten basieren auf operanter Konditionierung.

Lernen durch Nachahmung bedeutet, dass ein Verhalten ausschließlich durch Beobachtung eines anderen Lebewesens ausgeführt wird.

 

Sensibilisierung oder Gewöhnung bedeutet, dass eine Reaktion sich verstärkt, wenn der Reiz eine für den Hund angenehme oder unangenehme Konsequenz hat. Umgekehrt verliert der Reiz an Bedeutung, wenn er keinerlei Konsequenzen hat. Zur Desensibilisierung muss man auf einem derart geringen Niveau beginnen und diesen Reiz dann extrem langsam steigern, sodass der Hund NIE in Angst oder Panik verfällt. Angst sollte weder ignoriert noch positiv verstärkt werden – man sollte dem Hund in Angstsituationen auf jeden Fall ermöglichen, Schutz bei seinem Menschen zu suchen und zu finden.

 

Wie lernt ein Hund?                                                                                                                               

Hunde lernen durch Verknüpfung, d.h. Reize werden mit Konsequenzen assoziiert. Hier darf man niemals vergessen, dass die kombinierten Reize aller 5 Sinne verknüpft werden. Dabei spielen einerseits Sinneswahrnehmungen, andererseits aber auch Emotionen, wie Freude oder Angst eine wichtige Rolle (Frauchen kommt heim; Tierarzt; ...). Hier wird auch klar, dass Lernerfahrungen, die mit angenehmen Gefühlen verknüpft sind, häufiger abgerufen werden, wohingegen solche, die mit unangenehmen Gefühlen gekoppelt sind, eher verdrängt werden.

Lernen und Emotionen beeinflussen sich gegenseitig       

                                                                      

Während Sinneswahrnehmungen in der Großhirnrinde verarbeitet werden, werden Gefühle vom limbischen System gesteuert. Unter „Normalbedingungen“ liegt die Kontrolle bei der Großhirnrinde – es werden bewusste Entscheidungen getroffen. Jedoch hemmen sich Großhirnrinde und limbisches System gegenseitig, d.h. beim Auftreten starker Emotionen wird der Verstand quasi ausgeschaltet und der Hund handelt instinktiv (Angst, Wut, Freude, ...). In diesem Zustand ist Lernen NICHT mehr möglich. Auch ein gesteigerter Stresspegel setzt den Verstand aus und lässt Emotionen freien Lauf. Im Gegensatz dazu fördern kognitive Aufgaben das Lernvermögen.

 

Voraussetzungen, um lernen zu können                                                                                               

Um effizient lernen zu können, müssen die Grundbedürfnisse des Hundes erfüllt sein und der Hund muss sich sicher fühlen. Die Erfüllung dieser Bedürfnisse wirkt belohnend. Lernen wird erschwert durch große Ablenkung, durch Frustration und auch bei sich anbahnenden Konflikten. Ein Lebewesen kann kaum lernen, wenn es unter starkem Stress steht, wenn es Angst hat bzw. aggressiv reagiert und wenn es unter Schmerzen leidet.

Lernen optimal gestalten

                                                                                                

Da Stress und Emotionen effektives Lernen erschweren, müssen Stress, Angst, Frustration und Ablenkung vermieden werden. Man sollte auf ein entspanntes Umfeld achten, die Stressbelastung möglichst niedrig und das Motivationsniveau in einem vernünftigen Bereich halten. Das Training sollte so geplant und organisiert werden, dass der Hund nach Möglichkeit zum Erfolg kommt.

Negative Erlebnisse sollten sowohl im Alltag, als auch im Training vermieden werden. Eine positive Grundstimmung erleichtert das Training und ermöglicht es dem Hund, Stress und Belastung besser zu verkraften. Jedes Training muss auf das Team, also auf Hund und Hundeführer abgestimmt sein. Und nie vergessen: „You never get a second chance for the first impression.

 

Seminar mit Martina Scholz (Deutschland) 16.-17.9.2006

 

 

 

 

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